Ein Acker in Sinsheim

Software-Milliardär Dietmar Hopp hat nach monatelanger Suche ein Grundstück für sein Fußballstadion gefunden. In der Arena soll künftig die TSG Hoffenheim Bundesligisten empfangen

„Noch dilettantischer kann man eine Standortsuche gar nicht angehen“

VON JOCHEN SCHÖNMANN

Bayern München, HSV, Borussia Dortmund, TSG Hoffenheim. Hoffenheim? Die Frage ist berechtigt. Hoffenheim ist ein Kaff mit etwa 3.000 Einwohnern. Es liegt bei Sinsheim im Kraichgau, etwa 35 Kilometer südlich von Heidelberg. Und wenn es nach Dietmar Hopp geht, soll der Name künftig gemeinsam mit den edlen Adressen des deutschen Profifußballs erklingen. Das hat einen ernsten Hintergrund: Hopp, Gründer des Softwareriesen SAP, Milliardär und einer der größten Sportmäzene Deutschlands, ist fußballverrückt. Und zwar komplett! Seit Jahren unterstützt er seinen Heimatverein, besagte TSG Hoffenheim, und schubste sie mit Geld und lobenswerten Konzepten von der Kreisliga in die Regionalliga. Aber der Mann will mehr.

„Die Regionalliga ist eine undankbare Spielklasse“, sagt Hopp und peilt unverdrossen Deutschlands Fußball-Beletage als Endstation an, bei der er vor vielen Jahren selbst die Kickschuhe geschnürt hat. Dazu ist ihm jedes Mittel recht: In dieser Saison hat er den ehemaligen Schalker Chefcoach Ralf Rangnick verpflichtet. Rangnick selbst gibt zu Protokoll, dass ihn das Konzept Hopps begeistert hat: Deutsche Spieler sollen hier eine Chance bekommen, während andere Clubs auf fertiges Material aus dem Ausland setzen.

Demnächst wird sogar ein frisch gebackener Weltmeister am „Projekt Hoffenheim“ mitgestalten: Der Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters soll seine visionären Trainingsmethoden nun als Direktor für Sport- und Jugendförderung an den Kickern aus „Hoffe“ auslassen. Mit so viel Prominenz, so die Idee, wäre es doch gelacht, wenn der Aufstieg nicht gelingt. Das Dumme ist nur: Der jetzige Spielplatz der TSG, das erst vor wenigen Jahren fertig gestellte Dietmar-Hopp-Stadion, ist nicht bundesligatauglich, obwohl es mit 5.000 Plätzen mehr Menschen fasst, als Hoffenheim Einwohner hat. Das ist aber kein Grund zum Verzweifeln, denn Hopp hat Geld. Viel Geld. Und er weiß, was er will.

Vor rund zehn Monaten ließ er die Bombe platzen und verkündete seiner Heimatregion das neueste Mammutprojekt: Ein Bundesliga-Stadion mit 30.000 Plätzen wolle er bauen, für 40 Millionen Euro. Bereits zur Saison 2008/2009 könne dort Bundesliga-Fußball gespielt werden, sagte er. Zunächst plante Hopp in Walldorf, wo auch SAP seinen Hauptsitz hat und wo inzwischen sogar eine Straße nach Hopp benannt ist. Doch plötzlich war Mannheim im Gespräch, wo der Multiunternehmer bereits einen gigantischen Veranstaltungsdom, die rund 100 Millionen teure SAP-Arena, errichtet hat. Die Fans des Traditionsvereins und Ex-Bundesligisten Waldhof drohten Hopp jedoch mit Boykott, falls er sein Projekt ohne den Verein realisiere. Das wiederum wollte der Mäzen nicht: „Die wollen doch nur mein Geld und unsere Lizenz“, schimpfte er. Immer neue Standorte tauchten auf. Heidelberg erhob sich wie ein strahlender Leuchtturm aus dem Nebel der Standortdiskussionen. Vom „1. FC Heidelberg 06“ war die Rede, von einem Aushängeschild für die Region. Doch wieder war’s nichts. Hopps Art, blitzartig und ungefragt Entscheidungen zu treffen, war für die SAP vermutlich ein Segen. Im subtilen und häufig komplexen politischen Alltag tut sich der 66-Jährige schwer.

Er zerstritt sich mit dem Unternehmer Rudolf Wild, einem der größten Arbeitgeber der Region um Heidelberg, der ebenfalls Anspruch auf den Standort nahe der Autobahn erhob. Anstatt hinter den Kulissen zu verhandeln, zerschnitt Hopp das Tischtuch mit seinem ehemaligen Golfkumpel: „Man sagte mir, dass Wild über Leichen geht, jetzt will er über meine gehen“, beschwerte er sich. Wild hingegen trommelte mit dem Slogan „Arbeitsplätze statt Hooligans“.

Zu den Hopp-Gegnern gehörte dann auch Heidelbergs Erster Bürgermeister Raban von der Malsburg. „Noch dilettantischer kann man eine Standortsuche gar nicht angehen“, ätzte er. Außerdem sei Heidelberg keine Fußballstadt. Von der Klientel der ehrwürdigen Universitätsstadt sei allenfalls höflicher Applaus, aber kein Enthusiasmus zu erwarten. Also musste ein neuer Standort her. Das Stadion schipperte auf den Grafiken der lokalen Zeitungen durch die Region wie ein manövrierunfähiger Supertanker. Nach monatelangem Gezerre meldete sich die Heimatstadt des Milliardärs: Sinsheim. Man würde das Stadion mit Kusshand nehmen, sagte Bürgermeister Rolf Greinert. „Auch wenn wir mit dem Namen Heidelberg nicht konkurrieren können, bei uns gibt es keine Standortprobleme“, lockte er. Greinert präsentierte ein Gelände mit geklärten Eigentumsverhältnissen. Am Dienstag entschied sein Stadtrat mit nur drei Gegenstimmen für das Hopp-Projekt.

Zwar liegt das Städtchen weit ab der großen Zentren Mannheim und Heidelberg, und das geplante Stadion hat in etwa so viel Plätze wie Sinsheim Einwohner, aber diese Situation kennt Hopp ja bereits. Und wie er so ist, machte er auch gleich Nägel mit Köpfen. Am Mittwoch stellte er klar: „Ich gehe nach Sinsheim.“ Ob die Zuschauer allerdings auch bereit sind, dorthin zu gehen, das ist noch offen.